Woher kommen die Berner Inkunabeln?

Die Druckorte

Von Mainz ausgehend breitete sich der Buchdruck rasch in ganz Europa aus. 271 Druckorte bis 1500 sind heute bekannt.

Die Berner Inkunabeln wurden in 47 Orten gedruckt. Dabei sind alle grossen und bedeutenden Druckorte vertreten. Die meisten Drucke stammen aus Venedig (108), Basel (66), Strassburg (65), Paris (35), Nürnberg (26), Köln (20), Lyon (19), Augsburg (14), Mailand (12) und Rom (10).

Inkunabeln aus Berner Klöstern

53 der 450 Inkunabeln stammen nachweislich aus Bibliotheken der im Zuge der Berner Reformation (1528) aufgelösten Klöster und Stifte. Sie bildeten den Grundstock der Bibliothek für die neu gegründete Hohe Schule zur Ausbildung der Pfarrer.

Den mit 34 Titeln grössten zusammenhängenden Bestand von Inkunabeln einer Ordens-gemeinschaft bilden die Bände aus der Bibliothek des Kartäuserklosters Thorberg. Das Exemplar von Gratian zum Kirchenrecht (12. Jh.) enthält 33 fein mit Feder in Tinte ausgezeichnete und mehrfarbig kolorierte Zierinitialen mit figürlichen Bildeinschlüssen und reicher Ornamentik. Die Identität des Künstlers, der an zwei Stellen seine Initialen «J. H. V. G.» hinterlassen hat, ist bis heute ungeklärt.

Den kostbaren Band hatte der Berner Stadtschreiber Thüring Fricker (um 1429 –1519) der Kartause Thorberg geschenkt.

Aus der Bibliothek des Dominikanerklosters stammen acht Bände mit 18 Werken, die meisten zu Theologie und Recht von älteren Autoren wie den Ordensbrüdern Vinzenz von Beauvais und Thomas von Aquin. In einem Sammelband jedoch findet sich eine damals hochaktuelle Schrift: der Brief von Christoph Columbus an den spanischen König Ferdinand von 1493, in dem er von den «unlängst entdeckten Inseln im Indischen Meer» berichtet.

Inkunabeln von privaten Vorbesitzern

Die grösste private Büchersammlung der UB Bern stammt von Jacques Bongars (1554 – 1612), einem der höchsten Diplomaten des französischen Königs Heinrich IV. Bongars’ Leidenschaft gehörte dem Sammeln von Büchern. Seine Bibliothek umfasst 3’000 gedruckte Bände mit 6’800 Titeln aller Fächer, darunter 124 Inkunabeln. Diese bilden damit knapp einen Drittel des Inkunabelbestands der UB.

Jacques Bongars pflegte ein breites Netzwerk mit Gelehrten und anderen Persönlichkeiten seiner Zeit. Üblich war ein reger Austausch von Büchern. Entsprechend finden sich in vielen Bänden aus Bongars’ Bibliothek auch zahlreiche weitere Namen früherer Besitzer. Unter anderem besass er einen Band des berühmten französischen Schatzmeisters und Bibliophilen Thomas Mahieu (zwischen 1515 und 1527 – nach 1588), dessen Name in der lateinischen Form Tho[mas] Maioli auf den kostbaren Einband geprägt ist.

Der Roggwiler Arzt Werner Zesiger (1902 – 1958) vermachte seine wertvolle Büchersammlung der UB Bern. Zu den 33 Inkunabeln gehören zwei der schönsten deutschen Bibeln vor Luther, diejenige des ersten Augsburger Druckers Günther Zainer, 1475 und die in Nürnberg von Anton Koberger gedruckte von 1483.